Eine Ladung von 3000 Tonnen Fischmehl, das in der besetzten Westsahara geladen wurde, wird zur Zeit im Hafen von Bremen in Deutschland entladen. „Wie passt das mit dem EuGH-Urteil zum Handel mit der Westsahara zusammen?“, fragt WSRW.
Heute Morgen, am 19. Juli 2018 um 6 Uhr legte die unter niederländischer Flagge fahrende Bente im Hafen von Bremen an. Das Schiff hatte im Hafen von El Aaiún, der Hauptstadt der besetzten Westsahara, am 10. Juli abgelegt, nachdem sie eine Ladung Fischmehl an Bord genommen hatte.
Western Sahara Resource Watch (WSRW) hat die begründete Annahme, dass die Ladung aus 3000 Tonnen Fischmehl besteht und das der Importeur Köster Marine Protein GmbH ist, zur Zeit der einzige Anbieter von Fischmehl aus Nicht-EU Drittländern und Nordeuropa. Köster Marine Protein (KMP) besitzt ein eigenes Terminal im Bremer Hafen, an dem die Bente nun angelegt hat. Die Firma erklärt auf ihrer Webseite, dass sie Fischmehl aus Marokko importiert. WSRW bat KMP heute in einem Brief um Aufklärung, wie diese Importe mit dem Urteil des EuGH aus dem Jahr 2016 in Einklang zu bringen sind.
Es ist bisher nicht absehbar, wie die deutschen Zollbehörden mit dieser Fracht verfahren werden. 2016 urteilte der Europäische Gerichtshof (EUGH), dass das Handelsabkommen zwischen der EU und Marokko nicht auf die Westsahara angewendet werden kann, da Marokko über keinerlei Hoheitsgewalt über das Gebiet verfügt. Daher kann das Abkommen mit Marokko laut EUGH das Gebiet der Westsahara nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Volkes der Westsahara mit einschließen. Solch eine Zustimmung seitens des saharauischen Volkes hat es aber niemals gegeben.
Im März 2017 verschickte die EU-Kommission eine Leitlinie bezüglich der Auswirkungen des Urteils an die Zollbehörden der EU-Mitgliedsstaaten. „Waren, die in die EU eingeführt werden und aus der Westsahara stammen, sind als solches zu deklarieren“ (der in der Zollerklärung zu verwendende Code ist ‚EH’); „Zollpräferenzen können nicht geltend gemacht werden und dürfen nicht gewährt werden: die Meistbegünstigungszollsätze finden hier Anwendung“. Außerdem fordert die EU-Kommission der Zollbehörde des importierenden Mitgliedsstaats auf „im Falle eines berechtigten Zweifels an der Authentizität der Herkunftsnachweise und an der Korrektheit der bereitgestellten Informationen dies durch eine Anfrage bei den marokkanischen Behörden zu überprüfen“.
Im Fall der Bente haben wahrscheinlich die marokkanischen Behörden die für die Lieferung nötigen Dokumente ausgestellt. Da diese jedoch laut EUGH-Urteil über keine Hoheitsrechte in der Westsahara verfügen, können sie auch keine Handlungen vornehmen, die zur Ausübung solcher Rechte erforderlich sind, wie die Ausstellung der notwendigen Dokumente für die Ladung der Bente. Daher darf das Fischmehl nicht nach Deutschland eingeführt werden.
Die Aussage von KMP, aus Marokko zu importieren, verdeutlicht die Gefahr, dass diese Importe fälschlicherweise unter den Marokko gewährten Zollpräferenzen von statten gehen könnte. Es gibt keinerlei Verweise auf die Westsahara auf der Webseite von KMP.
Zwei Tage zuvor, am 17 Juli, hatte die POLISARIO - der einzige von der UN als Vetreter des Volkes der Westsahara anerkannte Akteur – das deutsche Außenministerium in einem Brief darum gebeten, den Import der Fracht nicht zu gestatten.
Gestern riefen Mitglieder des EU Parlaments, unter ihnen die deutschen Abgeordneten Barbara Lochbinder und Helga Trüpel, die EU Kommission in einem Brief dringlichst dazu auf, "die deutschen Behörden dazu zu drängen, erforderliche Maßnahmen zu ergreifen, insbesondere um die Umsetzung der Richtlinie der Kommission sicherzustellen".
Der Verein Freiheit für die Westsahara e.V., eine Mitgliedsorganisation von WSRW, bat am 18. Juli die deutschen Zollbehörden schriftlich, die Gültigkeit der Dokumente der Fracht gründlich zu überprüfen (Anhänge des Briefes können sie hier finden).
Bevor das Fischmehl weiter transportiert wird, wird es für 72 Stunden in Silos auf dem Hafengelände gelagert. Diese Silos, die eine Kapazität von 50 000 Tonnen haben, scheinen teils KMP zusammen mit J. Müller zu gehören.
Der Hersteller des Fischmehls ist wahrscheinlich Laayoune Protein aus El Aaiún. Laayoune Protein gibt an, mit einem Unternehmen namens "Koster Marine AB" zusammenzuarbeiten, ein entsprechender Link führt zur Website eines schwedischen Unternehmens mit diesem Namen. Letztere ist jedoch eine kleines Unternehmen, dass einen Fahrendienst zwischen Inseln an der Westküste Schwedens betreibt. WSRW betrachtet dies als einen unwahrscheinlicher Partner von Laayoune Protein und ist der Meinung, dass der eigentliche Partner das Fischmehlunternehmen aus Bremen ist. Laayoune Protein nennt auch Olvea als seinen Partner; dieses Unternehmen, das Fischöl in der Normandie importiert. Es ist besonders bekannt für die Key Bay-Affäre 2017.
Mit der neuen Lieferung des Frachters NAJA am 14.09.2019 werden wieder Waren aus dem Kolonialkonflikt in Bremen umgeschlagen.
Dienstag kam ein Frachter im Bremer Holzhafen vermutlich mit einer neuen Ladung umstrittenem Fischmehls an.
Der Import von Fischmehl aus der besetzten Westsahara nach Deutschland ist größer als bisher angenommen.
Siemens Energy ist unter den multinationalen Konzernen, die Berichten zufolge Interesse bekundet haben, Marokko beim Transport von in der besetzten Westsahara erzeugtem Strom in sein Staatsgebiet zu unterstützen.